Remedium

Der Mensch ist doch ein einzigart’ges Wesen:
Er liebt, was er nicht hat und haben kann,
Er schätzt nicht hier und jetzt, doch dort und dann –
Und dies ist bloß ein Bruchteil vieler Thesen.

Der Mensch vergöttert, was ihm nicht gehört –
Des Freundes Eltern, Bruders Frau und Kinder,
Und schätzt dabei die eig’nen umso minder,
Es ist die Weitsicht, die ihn so verstört.

Der Mensch ist blind für Näheres geworden,
Er nimmt das nächste Umfeld kaum noch wahr,
Doch sieht er fern Geleg’nes hell und klar,
Wenn auch mit täuschend klingenden Akkorden.

Der Mensch wird wach, bemüht sich und agiert
Sobald ein Unrecht weit entfernt geschehen.
Das gleiche Unrecht kann er bloß nicht sehen,
Wenn es direkt vor seiner Tür passiert.

Der Mensch strebt hin, sich selbst zu übertreffen,
Will lösen die Probleme dieser Welt,
Die er für lösbarer als jene hält,
Die ihn persönlich Tag um Tag betreffen.

Der Mensch ist in der Tat ein blindes Wesen.
Ach, wär’ das Leben schön, könnt’ er bloß seh’n
Was nah – im Sitz, nicht ferne – auf den Zeh’n.
Dann würd’ die Welt im Handumdreh’n genesen.

10.01.2009


Erschienen in

Herzhände
Engelsdorfer Verlag
ISBN-10: 3869016965
ISBN-13: 978-3869016962
Erhältlich z.B. bei: www.amazon.de