Schlachthaus Ost

Ein schrilles, zornerfülltes Pfeifen.
Ein hölzern Riegel fällt ins Schloss.
Der Teufel lässt den Wagen schleifen,
Geführt von seinem eig’nen Spross.

Es weicht die Luft im finst’ren Zwinger
Der Angst und höllischem Geschrei;
Aus Rissen quellen mag’re Finger,
Sie rufen zitternd: „Lasst uns frei!“

Durch Splitterfugen tropft zur Erde
Mit Unschuldsblut vermischter Rost
Der Alten-, Frau’n- und Kinderherde
Auf ihrem Weg zum Schlachthaus Ost.

Ein stummer, kalter Wind begleitet
Als Trostgebärde der Natur
Den Todeszug, der rastlos reitet
Entlang der blutdurchtränkten Spur.

Das schrille, zornerfüllte Pfeifen
Und herzzerreißendes Geschrei…
Ich kann nicht annähernd begreifen
Die jüngst verbroch’ne Barbarei.

Von jenen Schreien zeugen Kränze,
Ein Blumenfeld am selben Gleis,
Belebt durch weiße Flockentänze
Für jedes Kind und jeden Greis,

Für jede Frau, im Schlaf erstochen,
Für jeden Mann, gequält, vergast –
Ein Mahnmal künftigen Epochen,
Ein Mahnmal euch, die ihr vergaßt,

Was hier vor fünfundsechzig Jahren
Geschah durch eures Nächsten Hand.
Das darf uns nie mehr widerfahren.
Zu keiner Zeit. In keinem Land.

21.12.2009


Erschienen in

Träume den Frühling
Engelsdorfer Verlag
ISBN-10: 3869019417
ISBN-13: 978-3869019413
Erhältlich z.B. bei: www.amazon.de